O mein Sohn Absalom 2. Samuel 19,1-4
Das zweite Buch Samuel erzählt eine der bewegendsten Szenen des Alten Testaments: König David trauert um seinen Sohn Absalom. Nachdem Absalom gegen seinen Vater aufbegehrt, einen Aufstand angeführt und selbst die Königsherrschaft an sich reißen wollte, endet der Konflikt tragisch. Im Kampf wird Absalom getötet – und als David davon erfährt, bricht er in tiefen Schmerz aus.
„Da erbebte der König, und er ging hinauf in das Obergemach über dem Tor und weinte. Und im Gehen sprach er:
O mein Sohn Absalom, mein Sohn, mein Sohn Absalom!
Ach, dass ich doch an deiner statt gestorben wäre!
O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“ (2 Sam 19,1)
Dieser Ausruf Davids ist einer der ergreifendsten Klagerufe der Bibel. Er zeigt den König nicht als mächtigen Herrscher, sondern als Vater, der an seinem Verlust zerbricht. Trotz allem, was Absalom ihm angetan hat – der Rebellion, dem Verrat, der Entfremdung –, bleibt er Davids Sohn. Der Schmerz über den Tod des eigenen Kindes überlagert alles Politische, alles Persönliche.
Davids Klage zeigt die ganze Tiefe menschlicher Liebe und Zerbrechlichkeit. Sie offenbart, dass selbst im Glauben an Gott das Leid und der Verlust ihren Platz haben dürfen. David klagt nicht an, er verdrängt nicht – er schreit seinen Schmerz hinaus. Damit gibt er der Trauer Raum und macht deutlich: Vor Gott dürfen auch Tränen und Widersprüche stehen.
In Davids Ruf klingt auch etwas von der Liebe Gottes selbst an. Wie David um seinen abtrünnigen Sohn weint, so trauert Gott über den Menschen, der sich von ihm entfernt. Gottes Liebe bleibt – selbst, wenn der Mensch sich gegen ihn stellt. Im Licht des Neuen Testaments erinnert Davids Klage an das, was Gott in Jesus Christus offenbart. Eine Liebe, die bereit ist, das eigene Leben hinzugeben, um den verlorenen Menschen zu retten.
Davids Worte „Ach, dass ich doch an deiner statt gestorben wäre!“ weisen so über seine persönliche Trauer hinaus. Sie spiegeln das Herz des Evangeliums. Gott selbst trägt den Schmerz über die Trennung von seinen Kindern – und in Christus erfüllt sich, was David nur ausruft. Einer stirbt an unserer statt.
„O mein Sohn Absalom“ bleibt daher nicht nur ein Schrei der Verzweiflung, sondern auch ein Zeugnis von Liebe, die über Schuld hinausreicht. Es ist der Ruf eines Vaters – menschlich zutiefst erschüttert, aber zugleich ein Spiegel göttlichen Mitgefühls, das niemals aufhört, nach seinen Kindern zu rufen.