Alt und grau werden – 1. Samuel 12,2
Im ersten Buch Samuel spricht der Prophet Samuel zum Volk Israel:
„Und nun siehe, ich bin alt und grau geworden, und meine Söhne sind bei euch; ich bin vor euch hergegangen von meiner Jugend an bis auf diesen Tag.“ (1 Sam 12,2)
Diese Worte stammen aus Samuels Abschiedsrede, die er hält, nachdem Israel sich einen König gewünscht hat. Samuel, der sein Leben lang als Richter, Prophet und Führer des Volkes gewirkt hatte, erkennt, dass seine Zeit zu Ende geht. Er blickt zurück auf ein langes Leben im Dienst Gottes und gesteht offen: Die Jahre haben Spuren hinterlassen. „Alt und grau“ zu sein, bedeutet hier nicht Schwäche oder Wertlosigkeit, sondern Reife, Erfahrung und Treue.
Samuel erinnert das Volk daran, dass er ihnen von Jugend an gedient hat – mit Aufrichtigkeit, mit Mut und mit der Verantwortung, Gottes Willen zu verkünden. Sein Alter ist ein Zeichen der Vollendung eines treuen Lebensweges. Er hat seine Aufgabe erfüllt, und nun übergibt er das Amt an den jungen König Saul. Das ist nicht einfach, doch Samuel tut es im Vertrauen darauf, dass Gott seine Geschichte weiterführt.
Der biblische Blick auf das Altwerden unterscheidet sich oft von der modernen Sicht. In einer Zeit, in der Jugend und Leistung hoch geschätzt werden, erinnert die Bibel daran, dass das Alter ein Geschenk ist – eine Lebensphase, in der Weisheit und Erfahrung ihren besonderen Wert haben. In den Psalmen heißt es:
„Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und bis ihr grau werdet, will ich euch tragen.“ (Jes 46,4)
Dieses Wort Gottes ist eine Verheißung: Gott bleibt treu, auch wenn Kräfte schwinden. Altwerden bedeutet nicht, von Gott verlassen zu sein, sondern in neuer Weise seine Nähe zu erfahren. Wie Samuel dürfen Menschen im Alter zurückblicken und zugleich darauf vertrauen, dass Gott den Weg weitergeht – mit den Jüngeren, die nachfolgen, und mit ihnen selbst, die in Gottes Händen geborgen bleiben.
„Alt und grau werden“ ist also kein Ende, sondern Teil eines größeren Ganzen. Es ist der Abschnitt, in dem das Vertrauen wachsen darf, dass Gott, der am Anfang stand, auch am Ende da ist. Das Leben in seiner ganzen Spannweite – von der Jugend bis ins Alter – steht unter seinem Segen. So wird das Altwerden zu einem Zeugnis dafür, dass Gott mitgeht, trägt und vollendet.